Kolumbien: Ein sicherer Ort für die Jugend inmitten von Not und Gewalt

Vor fünf Jahren kam Jailer erstmals ins Centro Afro. Seitdem ist er täglich im Jugendzentrum, dessen Türen stets geöffnet sind. Eine absolute Ausnahme in Nuevo Milenio, denn normalerweise ist hier aus Sicherheitsgründen alles verriegelt. Das Centro jedoch wird von den Banden so weit respektiert, dass seine Türen geöffnet bleiben können. Weil es Kirche ist und weil es sich diesen Respekt über Jahre erarbeitet hat.
 

Jailer fand im Centro Afro zum ersten Mal überhaupt einen geschützten Ort, an dem er sich wohlfühlt, wo er so angenommen wird, wie er ist, mit seinen Wünschen und Hoffnungen. Fotos: Adveniat/Mareille Landau
 


Das Centro Afro ist der einzige Ort, an dem Kinder und Jugendliche ein bisschen frei sein dürfen. Wo es Dinge zu entdecken gibt, die nichts mit Drogen und Gewalt zu tun haben. Denn eigentlich ist der Weg in eine der bewaffneten Gruppen hier vorgezeichnet. Bei einer Arbeitslosenquote von 88 Prozent erscheint er vielen Jugendlichen die einzige Option. Auch Jailer fand im Centro Afro zum ersten Mal überhaupt einen Ort, an dem er sich wohlfühlt, wo er verstanden wird. Großen Anteil daran hat Ulrike Purrer. Die Deutsche leitet das Centro seit 2012. Und wurde zur Vertrauensperson in Jailers Leben: „Sie sieht das Positive in den Menschen. Sie liebt uns und glaubt an uns, bis wir es selber tun.“

Liebe zum Kochen und neues Selbstvertrauen 

Von Anfang an zog es Jailer in den Imbiss, den das Centro betreibt. Ihre selbst zubereiteten Empanadas verkaufen die Jugendlichen in der Nachbarschaft. Es ist ein richtiges kleines Unternehmen, mit dem sie ehrenamtlich Geld für das Centro erwirtschaften. Man merkt Jailer an, wie sehr er hier in seinem Element ist. Jailer gibt weiter, was er empfangen durfte: Seit kurzem leitet er selbst eine Jugendgruppe und vertritt das Centro nach außen. Durch seine besonnene Art genießt er viel Vertrauen bei den Jugendlichen. Er sagt: „Ich habe hier immer mehr Selbstvertrauen gewonnen – ein unglaubliches Gefühl.“

Jailer wirbelt durch die enge Küche des Imbisses vor dem Centro Afro, jeder Handgriff sitzt. Es duftet herrlich, die erste Runde Empanadas ist schon fertig. Er strahlt: „Ich liebe es zu kochen. Es macht mich einfach glücklich.“ Noch vor einigen Jahren hätte er sich das niemals vorstellen können: Die Brutalität und die Hoffnungslosigkeit, die er hier im Armenviertel Nuevo Milenio in Tumaco erfahren musste, hatten tiefe Spuren hinterlassen.

 

Tumaco: Eine der höchsten Gewaltraten weltweit

Tumaco ist einer der gefährlichsten Orte Kolumbiens, das Viertel Nuevo Milenio einer der Brennpunkte. Dicht gedrängt leben hier rund 10.000 Menschen. In der Hoffnung auf ein besseres Leben flohen die meisten vor den bewaffneten Auseinandersetzungen rivalisierender Banden. Doch die Gewalt konnten sie nicht hinter sich lassen: Auch in Nuevo Milenio bestimmt sie den Alltag der Menschen. Jailers Heimat liegt abgelegen im äußersten Südwesten Kolumbiens. Die Koka-Anbaugebiete der Region gehören zu den größten der Welt, Tumaco bildet ein Drehkreuz der Schmuggler.

In seiner Familie fand Jailer keine Sicherheit: Seine Mutter war psychisch krank, wurde gewalttätig – auch gegen ihre Kinder. Fortan kümmerten sich seine Großeltern um ihn und seine kleine Schwester. Gemeinsam leben sie in einer der Pfahlbauten des Viertels. Sie sind miteinander verbunden durch wacklige Stege, und wenn die Flut kommt, treibt der Müll im Schlamm umher – ein trauriges Bild, das die Unbeständigkeit und der Verschmutzung der Umgebung zeigt.

Jailers Traum: Menschen an einem Tisch zusammenbringen, Frieden stiften

Über das Centro Afro und Ulrike Purrer hat Jailer ein Stipendium für eine Gastronomieschule erhalten. Das bringt ihn seinem großen Traum ein Stück näher: einem eigenen Restaurant, „Ich möchte Menschen zu essen geben, sie an einem Tisch versammeln. Und dadurch Frieden stiften.“ Diesen Traum hätte er früher nicht einmal zu träumen gewagt. Heute spricht er ihn aus.
 

Mit Gruppenarbeit und Glauben zu sozialem Wandel

Im Centro Afro haben seit seiner Gründung verschiedene Gruppen für Kinder und Jugendliche ihre Heimat gefunden, darunter Jugend-, Kultur-, Kunst- und Sportgruppen. Besonders hervorzuheben ist die Jugendgruppe Descuádrate, die sich einmal wöchentlich trifft, um über verschiedene Themen zu diskutieren und soziale Aktivitäten zu planen. Mit einem gelebten Glauben und einem offenen, kritischen Geist analysieren die Mitglieder die Realität ihrer Stadt und ihres Landes. Sie organisieren Hilfe für Bedürftige, führen symbolische Akte des Widerstands gegen Gewalt durch und gestalten Freizeitaktivitäten für andere Jugendliche. Jailer engagiert sich intensiv in dieser Gruppe, mittlerweile leitet er sie sogar. Darüber hinaus beteiligt er sich an der Gestaltung der Gottesdienste im Centro, das Heimat für die Ortsgemeinde ist. Sein Einsatz trägt maßgeblich zur Stärkung der Gemeinschaft und zum sozialen Engagement der Jugendlichen bei.

 

„Die Kirche hat hier die Basis-Infrastruktur aufgebaut: Bildung und Gesundheit.“

 Ulrike Purrer, Leiterin des Centro Afro, Kolumbien

 

 

 

 

Zufluchtsort inmitten der Gewalt: Das Centro Afro

  • Bietet den Jugendlichen einen geschützten Ort zur Selbstverwirklichung.
  • Das Angebot umfasst Gesprächs- und Aktionsgruppen, die das Miteinander stärken.
  • Fördert mit Bewegung die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen durch Tanz, Musik und Artistik.
  • Ein Imbiss und eine Bibliothek ergänzen das Angebot.
  • Jugendliche wirken gleichberechtigt an Entwicklung und Pflege des Centro mit.
  • Starkes Engagement in der Friedensarbeit der Region.
  • Bietet Heimat für Gottesdienste sowie für Veranstaltungen der Gemeinde.

 

Wie in Kolumbien unterstützt Adveniat zahlreiche Projekte für Kinder und Jugendliche aus armen Familien in ganz Lateinamerika und der Karibik. Nur durch ganzheitliche Bildung können die Armen Lateinamerikas ihre Fähigkeiten stärken und ihre Zukunft selbst gestalten. Bitte sorgen Sie mit Ihrer Spende dafür, dass diese wichtige Arbeit unserer Projektpartnerinnen und Partner weitergehen kann!

Für weitere Informationen, wie Sie die Armen in Lateinamerika und der Karibik mit einer Spende unterstützen können, wenden Sie sich gerne an:

Carmen Martínez
Abteilung Spenderkommunikation, Referat Besondere Spenden
Telefon 0201 1756-209, E-Mail: carmen.martinez(at)adveniat(dot)de